Warum ich auf Ausschüttung, Value und globale Diversifikation setze
Wenn es um den langfristigen Vermögensaufbau geht, kommt man an einem Begriff kaum vorbei: Aktien. Für viele sind sie Synonym für Risiko, Volatilität, vielleicht sogar Zockerei – gerade, wenn man die mediale Dauerbeschallung rund um Tech-Booms, Meme-Stocks oder Marktcrashs verfolgt.
Ich sehe das anders. Für mich sind Aktienbeteiligungen das fundamentale Rückgrat moderner Geldanlage. Kein Spekulationsobjekt, kein Spielball der Börse, sondern: Beteiligung an realer wirtschaftlicher Wertschöpfung
- Warum ich auf Ausschüttung, Value und globale Diversifikation setze
- Meine Grundprinzipien bei der ETF-Auswahl
- Die konkrete ETF-Auswahl (Stand April 2025)
- Strategische Überlegungen hinter meiner ETF-Auswahl
- Risiken und Limits meiner ETF-Strategie
- Was ich aus der Vergangenheit über ETF-Auswahl gelernt habe
- Was ich offenlasse – und was sich noch ändern könnte
- FAZIT: Struktur vor Spektakel
🧱 Warum Aktien?
Aktien sind Unternehmensanteile. Punkt.
Wer Aktien hält, ist (wenn auch im Mikrobereich) Miteigentümer eines Unternehmens – mit Anspruch auf seinen Teil am Gewinn und am Substanzwert. Anders als Geld auf dem Konto oder ein Zertifikat auf irgendetwas Abstraktes, sind Aktien Sachwerte – sie repräsentieren Maschinen, Patente, Produktivität, Marken, Mitarbeiter, Umsätze.
Und weil die Weltwirtschaft langfristig wächst, wachsen auch die Umsätze und Gewinne der Unternehmen. Nicht linear, nicht ohne Rücksetzer – aber mit einer beeindruckenden Regelmäßigkeit über Dekaden hinweg.
📉 Ja, es gibt Krisen.
📈 Aber es gibt eben auch Innovation, Effizienz, Fortschritt.
Gerade in einer Welt, in der Bargeld an Kaufkraft verliert und klassische Sparprodukte kaum noch realen Ertrag bringen, sind Aktien für mich das logische Gegengewicht. Sie sind nicht risikolos – aber sie sind mit Abstand die transparenteste und zugänglichste Form, an diesem globalen Fortschritt teilzuhaben.
🌍 Warum breit gestreut – und warum ETFs?
Ich habe zur Zeit nicht den Anspruch (und auch nicht die Zeit), einzelne Unternehmen tiefgehend zu analysieren. Mir geht es um das große Ganze – um Teilhabe an weltweiter wirtschaftlicher Entwicklung, ohne mich im Klein-Klein zu verlieren.
Deshalb setze ich auf ETFs – börsengehandelte Fonds, die mit geringen Kosten, hoher Transparenz und breiter Streuung eine einfache Möglichkeit bieten, global zu investieren. Ein anderes Akronym, das ich bei Christian W. Röhl aufgeschnappt habe, ist Einfach, Transparent, Fair.
Aber: ETF ist nicht gleich ETF. Und genau deshalb möchte ich in diesem Beitrag aufzeigen, welche Auswahl ich getroffen habe – und warum.
📌 Disclaimer
Die Inhalte dieses Beitrags stellen keine Anlageberatung, Steuerberatung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzprodukten dar. Sie spiegeln ausschließlich meine persönliche Meinung und Erfahrung wider und dienen der Dokumentation sowie dem Austausch über finanzielle Themen.
Bitte triff finanzielle Entscheidungen immer auf Grundlage eigener Recherchen oder ziehe eine unabhängige, fachkundige Beratung hinzu.
Ich übernehme keine Haftung für Verluste, die durch die Umsetzung von Informationen aus diesem Beitrag entstehen könnten.
Meine Grundprinzipien bei der ETF-Auswahl
Wer sich schon einmal intensiver mit ETFs beschäftigt hat, merkt schnell: Es gibt nicht „den einen“ ETF auf den Weltmarkt. Selbst beim gleichen Index – zum Beispiel dem MSCI World – existieren verschiedene Varianten mit unterschiedlichen Replikationsmethoden, Ausschüttungsmodi, Kostenquoten oder Anbieterstrukturen. Noch größer wird die Auswahl, wenn man über den Tellerrand hinausblickt – in alternative Indizes, fundamentale Gewichtungen oder thematische Schwerpunkte.
Für mich war deshalb entscheidend: Ich brauche ein System, das zu meiner Persönlichkeit und zu meinen Zielen passt.
Keine Jagd nach dem letzten Basispunkt Performance, sondern eine strukturierte ETF-Auswahl nach klaren Kriterien. Das hauptziel ist klar: am Ball bleiben.
📌 1. Ausschüttend statt thesaurierend
Ich habe mich ganz bewusst für ausschüttende ETFs entschieden. Nicht, weil das steuerlich unbedingt besser wäre – das ist es in vielen Fällen nicht –, sondern aus einem psychologischen Grund:
💬 Wenn ich quartalsweise oder halbjährlich reale Cashflows sehe, hilft mir das, gelassen zu bleiben.
Gerade in schwankungsintensiven Marktphasen ist es für mich beruhigend, echte Ausschüttungen zu erhalten – unabhängig vom Kurs. Diese Auszahlungen zeigen mir: Die Unternehmen wirtschaften weiter, erwirtschaften Gewinne, und ein Teil davon landet (wenn auch winzig klein) bei mir. Das hat für mich einen stärkeren Realitätsbezug als rein virtuelle Wertentwicklungen. Mir ist durchaus bewusst, dass rein thesaurierende Anlagen auf ETF-Basis vermutlich besser sein würden, aber die Wichtigkeit der Einhaltung des Plans ist dem übergeordnet. Nur weil Unternehmen Gewinne ausschütten, heißt das aber auch nicht per se, dass sie schlechter wachsen.
📌 2. Fokus auf Value – statt Growth oder Trends
Damit kommen wir auch zu einem weiteren, wichtigen Teil in meiner Investmenthypothese. In der Rückschau waren meine früheren Strategien oft zu stark auf Wachstum (Growth) ausgerichtet – sei es durch Tech-Schwerpunkt, Branchen-ETFs, Themenfonds oder Hebel.
Heute setze ich bewusst einen Value-Tilt, also eine Ausrichtung auf fundamental günstiger bewertete Unternehmen – gemessen an Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Kurs-Buchwert-Verhältnis oder Dividendenrendite.
Warum?
- Value-Unternehmen sind oft robuster in schwierigen Phasen.
- Sie sind oft weniger überlaufen.
- Und sie zahlen tendenziell höhere und stabilere Dividenden (Korrelation, keine Kausalität).
Ich erwarte dadurch nicht automatisch eine Outperformance, aber ein für mich passenderes Risiko-Ertrags-Profil: kalkulierbarer, ruhiger, weniger emotional.
📌 3. Globale Diversifikation mit Struktur
Ein globales ETF-Portfolio bedeutet nicht automatisch echte Streuung. Viele Welt-ETFs sind stark USA-lastig – nicht selten machen US-Unternehmen 60–70 % der Gewichtung aus. Das mag historisch in der Zeit des amerikanischen Megatech-Wachstums gut funktioniert haben, aber es ist nicht zwingend die Zukunft. Genauso wie es in der Vergangenheit genügend Zeiträume gab, in denen andere Regionen bessere Renditen geliefert haben.
Ich setze auf eine bewusste Mischung:
- Basis-ETF auf den globalen Aktienmarkt (z. B. FTSE All-World)
- gezielte Ergänzungen in Value und Dividenden-Strategien
- Schwellenländer-ETF als Beimischung
- strategische Europa-Übergewichtung, um eine bessere Balance zur Dominanz der USA herzustellen
Damit habe ich nicht nur globale Abdeckung, sondern auch eine bewusste Allokation nach Regionen, Stilarten und Dividendenprofil.
📌 4. Einfachheit & Verständlichkeit
Ich will in der Lage sein, mein Portfolio in fünf Minuten einem guten Freund zu erklären. Wenn ich erst tief in Indexmethodiken, Anlagestrategien oder Rebalancing-Logiken eintauchen muss, wird es zu komplex.
Regel: Jeder ETF im Portfolio muss in einem Satz erklärbar sein – was er abbildet, warum ich ihn halte, und was ich von ihm erwarte.
Kein Blackbox-Investing. Kein „Ich glaube, das war mal ein guter Tipp auf Reddit“.
📌 5. Keine ausschließlicher Home Bias, aber auch kein blinder Weltmarkt-Kauf
Ich lebe in Europa. Ich verdiene in Euro. Und ich will in einem Umfeld investieren, das ich zumindest teilweise verstehe – wirtschaftlich, politisch und kulturell. Deshalb habe ich eine leichte Übergewichtung in europäischen Märkten eingebaut, bewusst gegen die Marktgewichtung. Eine recht neue Publikation zeigte zudem, dass eine Übergewichtung des heimischen Markts, bzw. der heimischen Währung auf bis zu 35% des Gesamtportfolios die optimale Performance geliefert hat, und weiter liefern könnte. Das hängt mit Währungseffekten und der wirtschaftlichen Erfolge der individuellen Industrieländer zusammen, lest ruhig selbst.
Aber: Ich vermeide Home Bias in der extremen Form – also das komplette Ausblenden anderer Weltregionen. Die Zukunft wird nicht nur in Europa geschrieben – und auch nicht nur in den USA.
🧠 Mein persönlicher „ETF-Filter“
Zum Abschluss dieses Abschnitts – meine fünf inneren Fragen, die jeder ETF für mich klar beantworten muss:
✅ Was bildet dieser ETF konkret ab – und ist das relevant für meine Strategie?
✅ Ist die Gewichtung sinnvoll (fundamental oder marktkapitalisiert)?
✅ Gibt es verlässliche Ausschüttungen?
✅ Wie ist die regionale und sektorale Streuung?
✅ Würde ich diesen ETF auch in einem Bärenmarkt noch halten wollen?
Wenn ich auf all das ein ruhiges „Ja“ geben kann, passt der ETF potenziell in mein Portfolio. Wenn nicht, kommt er auf die Beobachtungsliste, oder eben nicht rein.
Die konkrete ETF-Auswahl (Stand April 2025)

Wie bereits im Artikel zur Asset Allocation angedeutet, besteht mein Aktienanteil vollständig aus ETFs – mit einem klaren System dahinter. Die folgende Auswahl bildet die Basis meines langfristigen Aktienportfolios. Ich verfolge keine „Kaufe den besten ETF des Monats“-Strategie. Ich habe vier Fonds ausgewählt, die sich in ihrer Zusammensetzung, ihrem Fokus und ihrer Funktion im Portfolio ergänzen, und gleichzeitig eine gewisse innere Redundanz vermeiden.
Hier sind die Eckpfeiler meines ETF-Setups:
📊 1. Vanguard FTSE All-World – 55 %
Typ: Weltweiter Standard-ETF, marktkapitalisierungsgewichtet
Ausschüttung: Vierteljährlich
Warum dieser ETF?
Der All-World ist meine globale Basis. Er deckt über 4.000 Unternehmen aus Industrie- und Schwellenländern ab, mit breiter Streuung über alle Sektoren hinweg. Für mich ist er das Rückgrat meines Portfolios, der Teil, der einfach mit dem Weltmarkt mitwächst.
Trotz USA-Schwerpunkt akzeptiere ich die Gewichtung hier bewusst, denn über die anderen drei ETFs gleiche ich die US-Dominanz teilweise wieder aus, verschiebe den Aktienstil bewusst in Richtung Value und reduziere die Abhängig von den Megatech-Unternehmen.
💸 2. VanEck Morningstar Developed Markets Dividend Leaders – 30 %
Typ: Industrieländer, fundamentale Gewichtung, Dividendenfokus
Ausschüttung: Quartalsweise
Warum dieser ETF?
Dieser ETF wählt gezielt Unternehmen mit überdurchschnittlicher Dividendenrendite, auf Basis realer Fundamentaldaten, nicht rein nach Kurs. Er bildet für mich den Value-Anteil im Depot. Ich schätze die Kombination aus regelmäßigen Ausschüttungen und dem Fokus auf Substanzunternehmen.
Die Sektorverteilung ist dabei deutlich defensiver: Mehr Versorger, mehr Industrie, weniger Tech. Allerdings auch eine sehr große Konzentration von Unternehmen aus dem Finanzdienstleistnugssektor. Daher würde ich diesen ETF nicht als Core Ersatz für mich wählen.
🧺 3. JPM Global Equity Premium Income – 10 %
Typ: Covered-Call-ähnliche Strategie, globaler Aktienkorb
Ausschüttung: Monatlich
Warum dieser ETF?
Der ETF kombiniert Aktienerträge mit Optionsprämien durch eine systematische Covered-Call-Strategie. Klingt technisch – ist aber im Kern eine Rendite-Glättung mit Cashflow-Fokus. Ich sehe ihn als Puffer, wenn die Märkte seitwärts oder volatil laufen.
Er ist kein Ertragswunder, aber bringt mir stabile monatliche Zahlungen, was emotional Gold wert ist. Zudem passt die Auswahl der Aktienwerte ebenfalls in ein Value / Cashflow-orientiertes Portfolio.
🌍 4. iShares Emerging Markets IMI – 5 %
Typ: Schwellenländer-Aktien, inkl. Small Caps
Ausschüttung: Halbjährlich
Warum dieser ETF?
Ein kleiner, aber wichtiger Baustein. Die Schwellenländer entwickeln sich langfristig dynamischer als Industrienationen, mit allen Chancen und Risiken. Über diesen ETF bekomme ich Zugang zu hunderten Unternehmen aus Asien, Lateinamerika und Afrika, inklusive kleinerer Firmen, die in anderen EM-ETFs fehlen.
Die Beimischung ist bewusst gering, aber sie sorgt dafür, dass ich auch von strukturellem Wachstum außerhalb der westlichen Märkte profitieren kann. In Summe mit dem Kern-ETF des FTSE All-World’s summiert sich der Anteil der Schwellenländer somit wieder auf das nahezu gleiche Level wie in einem nach Marktkapitalisierung gewichtete Portfolio. Im Bereich der Schwellenländer scheint für mich eine individuelle Auswahl nach Sektor, Land oder Fundamentaldaten deutlich schwieriger, da dort zum einen die politischen Verhältnisse
🧰 Zusammenspiel der vier Bausteine
Diese vier ETFs ergänzen sich in ihrer Funktion:
ETF | Rolle im Portfolio |
---|---|
Vanguard FTSE All-World | Weltweite Basis, Markt-Exposure |
VanEck Dividend Leaders | Value-Fokus, Substanz, Stabilität |
JPM Premium Income | Cashflow-Puffer, monatliche Ausschüttung |
iShares EM IMI | Wachstumsbeimischung, Diversifikation |
👉 Warum genau diese Mischung?
Weil sie für mich drei zentrale Elemente vereint:
- Breite Abdeckung globaler Aktienmärkte
- Fokus auf regelmäßige Ausschüttung als psychologisches Stabilisierungselement
- Substanz über Storytelling – ich will wirtschaftliche Realität, keine Zukunftsfantasien
Strategische Überlegungen hinter meiner ETF-Auswahl
Wenn man sich mit ETFs beschäftigt, stößt man unweigerlich auf eine scheinbar einfache Lösung: MSCI World + Emerging Markets, fertig ist das Weltportfolio. Und ja, auch ich habe damit einmal angefangen. Es ist ein solides Fundament, bietet globale Streuung, niedrige Kosten und wird von vielen zu Recht empfohlen.
Aber im Laufe der Jahre, und nach ein paar unsanften Lektionen, wurde mir klar: Was gut ist, ist nicht automatisch passend.
Zumindest nicht für mich, für meinen Plan, für meine Psyche. Und genau deshalb habe ich mein Aktien-ETF-Setup bewusst anders aufgebaut.
🧾 1. Warum nicht einfach MSCI World + EM?
Ich will ganz ehrlich sein: Ich schätze den MSCI World. Aber ich die starke Konzentration auf US-Tech, bedingt durch die Gewichtung nach Marktkapitalisierung beunruhigt mich.
In der aktuellen Zusammensetzung dominieren Unternehmen wie Apple, Microsoft, NVIDIA & Co., mit kumulierten Anteilen, die für meinen Geschmack zu viel Gewicht auf sehr wenige Schultern legen. Das fühlt sich für mich nicht nach „Welt“ an, sondern nach NASDAQ plus Beigemüse. Auf der anderen Seite erwirtschaften diese Unternehmen natürlich auch massive Gewinne, haben teils (NVIDIA) absurd hohe Margen jenseits der 50% und führen zu immer mehr Fortschritt.
Ich wollte daher bewusst eine Alternative, die:
- weniger einseitig ist (Stichwort: Sektor-Diversifikation)
- fundamental sinnvoller gewichtet
- und mir hilft, in Bärenmärkten ruhig zu bleiben
Zudem: Die typische World+EM-Kombination bildet zwar Märkte ab, aber nicht immer das, was ich unter nachhaltiger Unternehmensbeteiligung verstehe. Die Veränderung der Sektoren und Regionenaufteilung findest Du in den beiden Diagrammen unten dargestellt.
🧮 2. Warum fundamentale Gewichtung (Value-Tilt)?
In der Theorie gibt es keine „beste“ Strategie. In der Praxis aber gibt es eine, die man durchhalten kann. Und genau da liegt mein Punkt: Ich bin kein Fan (mehr) von Momentum, Tech-Fantasien oder Modethemen.
Ich bevorzuge echte Unternehmenswerte. Firmen mit stabilen Bilanzen, Dividendenhistorie, tragfähigem Geschäftsmodell. Nicht sexy, aber solide. Ich muss nicht auf die nächste NVIDIA setzen. Ich will Firmen, die auch in 10, 15 oder 20 Jahren noch existieren, nicht nur in Schlagzeilen.
Die fundamentale Gewichtung bringt genau das ins Portfolio:
- Value-Unternehmen mit realwirtschaftlichem Bezug
- weniger Hype, mehr Substanz
- und, zumindest historisch, ein attraktives Risiko-Rendite-Verhältnis
Natürlich ist auch Value keine Wunderwaffe. Aber ich verstehe, was ich kaufe, und das gibt mir Halt. Im Diagramm unten findet ihr die Verschiebung des Aktienstils im Vergleich zum FTSE All-World Index.
💶 3. Warum Ausschüttung – trotz steuerlicher Nachteile?
Ein klassischer Kritikpunkt gegenüber ausschüttenden ETFs ist die steuerliche Ineffizienz. Und ja, thesaurierende Fonds haben oft einen kleinen Vorteil durch den Zinseszinseffekt und die unterjährige Wiederanlage.
Aber: Ich investiere nicht für eine Excel-Tabelle. Ich investiere für mein Leben. (10 € in das Phrasenschwein bitte)
Und das heißt für mich: Emotionale Stabilität > Steueroptimierung.
Die Ausschüttungen sind für mich:
- Realitätsanker (ich sehe, dass meine Beteiligung arbeitet)
- Puffer in schwachen Märkten (Geldfluss trotz Kursrückgang)
- und, weniger wichtig, in der Zukunft: Grundlage für Entnahmen
Laut meinem Investment Policy Statement plane ich, mit 60 Jahren auf die Ausschüttungen zuzugreifen, mit 2–3 % jährlich. Es ergibt also Sinn, ein Portfolio zu bauen, das dieses Ziel schon heute vorbereitet. Ich will keine Strategie, die erst mit Glück funktioniert, ich will eine, die mit mir wächst.
🌍 4. Warum Europa übergewichten?
Die Welt ist größer als Silicon Valley. Ich verdiene in Euro, zahle in Euro, plane in Euro. Und obwohl ich internationale Diversifikation als Pflicht betrachte, möchte ich bewusst einen stärkeren Bezug zu Europa im Portfolio.
- Wirtschaftlich unterschätzt: Viele europäische Unternehmen sind solide, innovativ – aber unterrepräsentiert in marktgewichteten Indizes.
- Bewusste Balance: Ich will nicht, dass mein Depot bei jedem Apple-Quartalsergebnis zittert.
- Emotionale Nähe: Ich verstehe europäische Firmen besser. Ihre Märkte, ihre Risiken, ihre Chancen.
Ich habe mich nach intensiver Auseinandersetzung (u.a. mit Studien wie der oben verlinkten von Anarkulova et al.) für eine 30 % Heimatmarkt / 70 % Ausland-Logik entschieden, was in der Praxis zu einer rund 90-100 % höheren Gewichtung Europas im Vergleich zum klassischen World-ETF führt.
Das ist keine Wette auf Europa, sondern ein Gegengewicht zur US-Dominanz.
🧰 5. Warum vier ETFs – nicht weniger, nicht mehr?
Mir war wichtig:
- Kein ETF darf redundant sein
- Jeder ETF soll eine klare, komplementäre Rolle spielen
- Das Setup muss einfach zu erklären, aber strategisch fundiert sein
Wie oben in der Tabelle dargestellt: Vier Bausteine, die zusammenspielen wie ein gut gebautes Uhrwerk. Und die mich ruhig schlafen lassen, selbst wenn die Märkte nicht mitspielen.
Risiken und Limits meiner ETF-Strategie
So viel Klarheit und Struktur meine ETF-Auswahl auch mit sich bringt, sie ist natürlich kein Allheilmittel. Kein Portfolio ist risikofrei. Und auch eine noch so rationale Strategie hat Schwächen, blinde Flecken oder Grenzen. Gerade deshalb gehört dieser Abschnitt für mich zwingend dazu.
Ich will kein Bild von der perfekten Lösung zeichnen. Ich will zeigen: Auch diese Strategie hat Limits, und ich bin mir ihrer bewusst.
⚖️ 1. Kein Schutz vor allgemeinen Marktrisiken
So diversifiziert mein ETF-Setup auch ist, es ist am Ende des Tages ein Aktienportfolio. Das heißt: Wenn die Märkte global fallen, fällt auch mein Depot. Punkt.
Die breitere Streuung reduziert das Klumpenrisiko, aber nicht das systematische Risiko.
Es gibt keine Garantie, dass der Weltaktienmarkt immer weiter steigt, auch wenn er es historisch meistens getan hat.
Mein Schutz? Kein Exit-Plan, sondern ein psychologisches Rückgrat:
- Ein klar definierter Zeithorizont
- Eine hohe Risikotoleranz (Drawdown bis zu 50 %)
- Und ein IPS, das mich daran erinnert, warum ich nicht verkaufen will
🧱 2. Value-Strategien können lange Phasen underperformen
Ich bin bewusst auf Value fokussiert, aber:
Value ist kein Performance-Garant. Gerade in den 2010er-Jahren haben Growth-Aktien (insbesondere Tech) Value-Strategien oft deutlich hinter sich gelassen.
Es gibt Phasen, in denen man mit einem marktbreiten ETF oder einem Growth-Fokus deutlich besser gefahren wäre. Und diese Phasen können sich länger ziehen, als einem lieb ist.
Ich bin bereit, das auszuhalten. Weil ich:
- das Risiko besser greifen kann
- mich bei Value emotional wohler fühle
- und weil mein Ziel nicht maximale Performance ist, sondern maximale Durchhaltbarkeit
💸 3. Ausschüttende ETFs ≠ besser
Ich schätze Ausschüttungen, aber ich bin mir der steuerlichen Nachteile bewusst:
- Teile der Ausschüttung sind sofort steuerpflichtig
- Der Zinseszinseffekt ist geringer als bei Thesaurierung
- Bei zu kleinen Beträgen kann die Wiederanlage ineffizient sein
Ich nehme das in Kauf, bewusst. Weil ich psychologisch stabiler bleibe, wenn ich reale Cashflows sehe.
Aber: Wer rein nach mathematischer Optimierung geht, könnte sich für thesaurierende ETFs entscheiden, und wäre damit vermutlich besser aufgehoben.
🌍 4. Regionale Schieflagen bleiben
Trotz meiner bewussten Europa-Übergewichtung bleibt das globale Aktienportfolio stark von den USA abhängig, sei es über den All-World-Anteil oder über die Prägung globaler Märkte durch US-Konjunktur und -Wirtschaftspolitik.
Zudem: Europa hat eigene Risiken, politisch, wirtschaftlich, demografisch. Ich wette nicht auf einen Kontinent, ich suche nur nach Balance. Alternativ könnte man Asien ebenfalls etwas übergewichten, aber das würde bei den 9% Asienanteil zu noch mehr ETFs im Portfolio führen.
Mit vier ETFs ist mein Portfolio immer noch übersichtlich, aber: Es ist kein „1-ETF-Portfolio“.
Ich muss:
- Allokationen beobachten
- Ausschüttungen verbuchen
- Rebalancing manuell durchführen
Das ist okay für mich, weil ich es gerne mache. Aber es ist halt auch nicht „passiv“ im strengen Sinn. Und ich weiß: Je mehr man anfasst, desto größer die Versuchung, etwas zu ändern. Und dazu kommen Transaktionskosten, Kaufnebenkosten etc.
Deshalb: Disziplin durch feste Regeln, feste Termine, und einen klaren Fokus auf das Warum hinter jeder Entscheidung.
Was ich aus der Vergangenheit über ETF-Auswahl gelernt habe
Meine heutige ETF-Strategie wirkt vielleicht klar, durchdacht und ruhig, aber sie ist das Ergebnis einer ganzen Reihe an Umwegen. Ich habe ausprobiert, optimiert, überoptimiert, gezweifelt, neu begonnen. Nicht auf dem Papier, sondern real, mit echtem Geld, echten Fehlern und echten Emotionen.
Und wenn ich eines gelernt habe, dann das:
Nicht die beste Strategie gewinnt, sondern die, die man durchhält.
💡 1. Komplexität ist verführerisch – aber selten hilfreich
Ich habe versucht, den Markt zu schlagen.
Mit gehebelten Strategien, mit selbstgebauten Faktor-Konstrukten, mit Momentum-ETFs und regelbasierten Einstiegssystemen.
Oft klang alles logisch. Rückblickend war vieles davon eine Suche nach Kontrolle in einem System, das sich nicht kontrollieren lässt.
Und jedes Mal, wenn es zu volatil wurde, habe ich gemerkt: Die Strategie war vielleicht schlau, aber sie war nicht meine.
🧘 2. Ausschüttungen helfen mir, ruhig zu bleiben
In schlechten Börsenphasen habe ich Ausschüttungen immer als etwas erlebt, das mir Sicherheit gibt. Ein greifbarer Beweis dafür, dass mein Geld arbeitet, unabhängig vom Tageskurs.
Das hat mir emotional geholfen, nicht zu reagieren. Kein „Ich muss was tun“. Kein „Ich verliere den Überblick“. Sondern: Ich sehe reale Erträge, also bleibe ich investiert.
Auch wenn es rein rechnerisch vielleicht nicht optimal ist:
Finanzielle Entscheidungen, die man ruhig trifft, sind oft besser als perfekt kalkulierte, aber nervös umgesetzte.
🧱 3. Substanz schlägt Fantasie – zumindest für mich
Ich habe auf Wasserstoff gewettet. Auf Clean Energy. Auf US-Tech. Auf Growth, Momentum, Smart Beta und High Conviction.
Was all diese Phasen gemeinsam hatten?
Ich war in erster Linie auf die Story dahinter fokussiert, nicht auf die wirtschaftliche Substanz. Und sobald sich das Narrativ änderte, war ich unsicher. Zweifel kamen auf. Ich reagierte hektisch, nicht rational.
Heute will ich keine Stories mehr. Ich will Bilanzen, Dividenden, Geschäftsmodelle. Langweilig? Vielleicht. Aber verlässlich genug, um ruhig zu bleiben.
📏 4. Systeme geben Halt – gerade in Krisen
Das Schreiben meines Investment Policy Statements war ein (vorläufiger 😄) Wendepunkt. Nicht, weil ich dadurch sofort erfolgreicher investiert hätte, sondern weil ich nicht mehr jedes Mal neu entscheiden muss.
Ich habe Regeln.
Ich habe Gründe.
Ich habe eine Grenze, wie viel Risiko ich aushalte.
Und ich habe definiert, was ich nicht mache.
Das entlastet mich. Es gibt mir Energie für andere Dinge im Leben, weil ich meinem eigenen System vertraue.
🛠️ 5. Weniger ist oft mehr – und „fertig“ ist eine Entscheidung
Ich habe früher nach dem „perfekten ETF“ gesucht. Ich habe Excel-Tabellen gebaut, TERs auf die zweite Nachkommastelle verglichen, historische Renditen analysiert, Overlap-Matrizen erstellt.
Heute weiß ich:
Der perfekte ETF existiert nicht. (naja, ein All-World kommt schon objektiv recht nah dran)
Aber ein passender, robuster, verständlicher ETF, den kann man finden. Und dann: einfach halten.
Die größte Rendite holt man sich nicht durch Optimierung, sondern durch Durchhalten.
Was ich offenlasse – und was sich noch ändern könnte
Auch wenn mein ETF-Setup heute gut durchdacht und zu meiner aktuellen Lebensphase passend ist, ich sehe es nicht als statisch. Mein Ziel ist nicht, für immer bei genau dieser Auswahl zu bleiben, sondern: Eine Strategie zu bauen, die mit mir mitwachsen kann.
Ich will nicht blind am Bestehenden festhalten – aber auch nicht jeder neuen Idee sofort hinterherlaufen. Deshalb hier ein ehrlicher Blick auf die Punkte, bei denen ich mir zukünftig Änderungen vorstellen kann:
🔄 1. Quality als Ergänzung zu Value?
Value ist mein aktueller Stil-Favorit, aber ich beobachte auch zunehmend Quality-Strategien: Unternehmen mit stabilen Margen, soliden Bilanzen, hoher Eigenkapitalrendite. Qualität als Investitionskriterium spricht mich an, weil es Substanz mit Effizienz kombiniert.
Ob das ein zusätzlicher Baustein wird oder eine Alternative zu meinem Dividenden-ETF? Noch offen.
📦 2. Small Caps gezielter einbauen?
Mein Emerging-Markets-ETF enthält bereits Small Caps, aber der Anteil ist gering. Langfristig könnte ich mir vorstellen, gezielter in kleinere Unternehmen weltweit zu investieren, um das Portfolio stärker zu diversifizieren und das Renditepotenzial abseits der bekannten Blue Chips zu nutzen.
Klar ist aber: Small Caps bringen mehr Volatilität, und müssen in mein Risikoraster passen.
🧘♂️ 3. Rebalancing noch automatisieren?
Aktuell werde ich das Rebalancing manuell durchführen, bewusst. Aber mit zunehmender Komplexität und Lebensverantwortung (Job, Familie etc.) überlege ich, bestimmte Prozesse zu automatisieren.
Ob über ein Rebalancing-Tool, Robo-Ansätze oder einfachere Strategien, Hauptsache: die Regel bleibt bestehen, auch wenn der Alltag mal stressiger wird. Aber das steht noch in den Sternen. Vermutlich eher über ein automatisiertes System. Aber so groß ist der Aufwand nun wirklich nicht.
💬 4. Kommunikation und Transparenz beibehalten
Egal wie sich mein Setup verändert: Ich möchte weiterhin öffentlich reflektieren, dokumentieren, transparent bleiben, im Blog, in meinem IPS, vielleicht irgendwann auch im Newsletter. Mal schauen.
Denn: Das Schreiben zwingt mich zum Denken. Und zum Klarbleiben.
FAZIT: Struktur vor Spektakel
Wenn ich auf mein ETF-Setup im Aktienteil des Portfolios schaue, sehe ich nicht die „perfekte Lösung“, sondern eine Antwort auf viele persönliche Fragen, Zweifel und Learnings.
Ich sehe vier Bausteine, die weniger mit Performance-Gier zu tun haben, und mehr mit dem Wunsch nach Ruhe, Verlässlichkeit und Durchhaltbarkeit.
Ich weiß: Es wird bessere Portfolios geben.
Portfolios mit höherer Rendite, besserer Steuerstruktur oder noch ausgeklügelterer Gewichtung. Aber das ist nicht mein Ziel.
Ich will keine Strategie, die glänzt, ich will eine, die trägt.
Und tragen heißt für mich:
- Weniger Zweifel in Crashs
- Mehr Vertrauen in meine eigene Logik
- Und vor allem: Länger dabei bleiben, ohne mich zu verlieren
Vielleicht ist das am Ende der wichtigste Punkt: Nicht der perfekte ETF entscheidet über den Erfolg.
Sondern die Fähigkeit, ihn in unperfekten Zeiten zu halten.